verschwundene Kinder

Als wir zum Jahreswechsel 1994/1995 in El Salvador waren, besuchten wir auch einige Landgemeinden in der Provinz Chalatenango. Über Dorothea Mölders bekamen wir so Kontakt zu dem Priester Jon Cortina (verst. 12.12.2005), der in dieser Region als Priester arbeitete. Jon Cortina ist der Begründer der Organisation für die Suche nach den im Bürgerkrieg verschwundenen Kinder, PRO BÚSQUEDA. In seiner Arbeit als Priester wurde er damit konfrontiert, dass viele Kinder im Krieg verschwunden sind und ihre Eltern, und insbesondere ihre Mütter, nicht wissen, wo diese verblieben sind, ob sie noch leben oder tot sind. Die quälende Frage, wo der Sohn, die Tochter geblieben ist, führte zur Gründung dieser Organisation.

Im Janur 1995 hatte man bereits einige Kinder in SOS-Kinderdörfern in El Salvador ausfindig machen können, doch es ergaben sich mehr Probleme bei der Zusammenführung von Kindern/Jugendlichen mit ihren Eltern, als zunächst erwartet.

Während des Bürgerkrieges von 1980 bis 1992 wurden nicht nur Kinder aufgegriffen, die in den Kriegswirren ohne Begleitung, und teilweise verletzt, aufgefunden wurden, sondern in vielen Fällen den Müttern die Kinder aus den Armen gerissen wurden. Man wollte nicht, so die Argumentation der Militärs, dass diese Kinder zu neuen Guerrilleros heran wachsen. Daher wurde Müttern das Kind gewaltsam weggenommen und an damals unbekannte Orte verbracht. Erste Hinweise, dass geraubte Kinder in SOS-Kinderdörfer in El Salvador verbracht wurden, kamen vom salvadorianischen Roten Kreuz im Dezember 1989, so Jon Cortina. Mitarbeiter des Roten Kreuz erinnerten sich, dass Militärs ihnen im Sommer 1982 mehrere Dutzend Kinder übergaben. Nach Angaben des Offiziers wären sie von ihren Eltern verlassen worden. Weiter wird in dem Zeitungsartikel von Reimar Paul in "Junge Welt" vom 01.02.95 ausgeführt, dass sich viele von diesen Jugendlichen nicht mehr im Land befinden, sondern bei Adoptiveltern, u.a. in Europa. Allein in Frankreich seien es mehr als fünfzig.

Ungewiss war, ob das Militär damals im Auftrag der Regierung handelte oder die Kinder auf eigene Rechnung entführt und zu verkaufen versuchte.

Andrea mit ihrer Mutter
Während unseres damaligen Aufenthaltes in El Salvador erfuhren wir von Padre Jon Cortina, wie wenig kooperativ die Verantwortlichen von SOS-Kinderdorf in Santa Tecla waren. Von betroffenen Müttern und einer betroffenen jungen Erwachsenen wurde geschildert, wie von den Verantwortlichen von SOS-Kinderdorf versucht wurde, zu verhindern bzw. zu erschweren, dass Mütter zu ihren (nach etwa 12 Jahren) wieder gefundenen Kindern einen Kontakt aufbauen konnten. Selbst bei erwachsenen jungen Menschen versuchte man zu verhindern, dass sie ihre Eltern besuchen oder wichtige Behördengänge wahrnehmen.

Diese junge Erwachsene, Andrea, interviewten wir im Januar 1995. Ein Jahr später, im März 1996, begleiteten wir einen jungen Mann, José, der mit seiner Mutter zusammen geführt werden konnte und der uns schilderte, wie er zusehen musste, wie seine Oma in ihrem Heimatdorf Nueva Trinidad von den eingefallenen Militärs erschossen wurde. Sie hatte sich schützend vor ihm gestellt. Ein Journalist, der die Militárs begleitete, brachte ein Foto mit dem schockierten Kind auf die Erste Seite der "La Prensa Gráfica", mit der Überschrift, dass Guerrilleros in Nueva Trinidad ein Massaker begangen hätten.Vom Journalisten wurde der 6-jährige mitgenommen. Zunächst hatte der Reporter beabsichtigt, das Kind zu adoptieren (was er dem Jungen auch gesagt hatte), doch nach drei Monaten entschloss er sich, dass Kind im SOS-Kinderdorf abzugeben. Die Tante des Kindes hatte eine Suche über PRO BÚSQUEDA veranlasst und so ihren Neffen im SOS-Kinderdorf gefunden.
José mit seiner Mutter und dem jüngsten Kind der Mutter

Weitere Ausführungen zu den damaligen Ereignissen in der Anfangsphase von PRO BÚSQUEDA bis hin zur aktuellen Arbeit und Situation der Arbeit von PRO BÚSQUEDA informieren wir auf einer gesonderten Internetseite "verschwundene Kinder - im salvadorianischen Bürgerkrieg".

Vorwegnehmen möchten wir, dass in PRO BÚSQUEDA sich in mehr als 16 Jahren über 870 aus vor allem bäuerlichen und armen Familien vereint haben, in der Hoffnung, ihre verschwundenen Kinder wieder zu finden.

Ende 2011 hat sich in Deutschland der FREUNDESKREIS PRO BÚSQUEDA gegründet. Sprecher dieser Gruppe ist Ulf Baumgärtner: meanguera@gmx.de. In der Ausgabe Nummer 350 der ILA (Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika) hat Ulf Baumgärtner einen Artikel zu der Suche nach den verschwunden Kindern unter dem Titel "Führt eine Spur nach Deutschland? Entführt verschwundene Kinder El Salvadors" veröffentlicht. Dieser Freundeskreis ruft zwecks Unterstützung für die weitere Arbeit der Nichtregierungsorganisation zu Spenden auf, die an die
Flüchtlingshilfe Mittelamerika e.V., Zur Schleuse 8 • 47533 Kleve
Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln,
BLZ 370 205 00, Kto.Nr. 820 43 00,
Stichwort: Pro Búsqueda
erfolgen sollen.

Auch Christa Rahner-Göhring, die Sprecherin der El Salvador-Koordinationsgruppe von amnesty international, unterstützt das Spendenprojekt vom Freundeskreis Pro Búsqueda.



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